Falsche Freunde

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Veröffentlicht Mai 2016

Am Samstag sollte in Leipzig eine Veranstaltung mit einem Vertreter von Borotba stattfinden, um über die Lage in der Ukraine zu informieren. Inzwischen wurde sie abgesagt; der Vertreter von Borotba, der dort sprechen sollte, fühlt sich mittlerweile nicht mehr sicher dort.

Wir hatten auf dieser Seite bereits einige Texte von und über Borotba (z.B. „Der tödliche Kampf Antimaidan“). Unter den Opfern des Massakers von Odessa finden sich ebenso Vertreter dieser linken ukrainischen Organisation wie unter den Kämpfern im Donbass. Es sollte schwer sein, ihnen abzusprechen, Antifaschisten zu sein. Und dennoch geschieht es.

Alexej Dankwardt, der mittlerweile parteilose Leipziger Stadtrat, der die Linkspartei nach monatelangem Mobbing durch maidanfreundliche ‘Antideutsche’ verlassen hat, hatte die Veranstaltung organisiert. Im Dachgeschoss des Karl-Liebknecht-Hauses in Leipzig, in dem er mit seiner Kanzlei selbst Mieter ist, und in das er eingezogen war, weil die Linkspartei das Haus, in dem Karl Liebknecht geboren wurde, sonst nicht mehr hätte finanzieren können. Als die Veranstaltung bekannt wurde, begannen immer massivere Angriffe aus der Ecke der ‘Antideutschen’, vorgetragen unter anderem von der Landtagsabgeordneten Juliane Nagel, die nicht beim Versuch eines Verbots der Veranstaltung in diesen Räumen endeten (das daran scheiterte, dass die Gemeinschaftsräume des Hauses durch die Miete aller Mieter finanziert werden), sondern sogar in einer Kündigung der Büroräume Dankwardts gipfelten.

Juliane Nagel ist eine typische Exponentin der ‘Antideutschen’. Sie ist der festen Überzeugung, wichtige Arbeit gegen Faschisten zu leisten, und beschäftigt sich in ihrer Arbeit im sächsischen Landtag so gut wie ausschließlich mit dem, was sie für Antifaschismus hält, und mit dem Komplex Migration/Flucht. Die letzte Anfrage aus dem Büro Nagel, die eine soziale Thematik hatte, stammt aus dem Jahr 2014. Diese Dinge sind ihr nicht wichtig.

Man sollte aber meinen, selbst bei jener Schmalspursicht auf Politik müsste es ihr noch möglich sein, die ukrainischen Nazis als solche zu erkennen. Schließlich geben sie sich nicht sonderliche Mühe, ihre Überzeugungen zu verbergen; sie tätowieren sich gerne von Kopf bis Fuss mit Hakenkreuzen, SS-Runen, schwarzen Sonnen und was dergleichen Symbole noch zu finden sind. Man muss nur einer einzigen Aufnahme eines ihrer Aufmärsche lauschen, um das für Nazis typische überschnappende Brüllen von Parolen zu hören. Es gibt, auch aus den Reihen von Borotba, genug Berichte über Folter und Verfolgung, die wie getreue Wiederholungen der Berichte aus dem Nazideutschland der Jahre 1933 und 1934 wirken. Mir reichten im Jahr 2014 wenige Minuten eines aufgenommenen Aufmarsches, um zu erkennen, dass es sich hier um originäre Faschisten handelt, die ihren deutschen Vorbildern in nichts nachstehen.

Wie kann es dann sein, dass Frau Nagel, die vermeintliche Muster-Antifaschistin, sich gegen diese Veranstaltung wendet? Wie kann es sein, dass sie ausgerechnet Menschen, die mitten in Europa tatsächlichem Faschismus widerstehen, die vor ihm geflüchtet sind, gar nicht erst zu Wort kommen lassen will? Nur, weil sie und ihre Freunde sich vor zwei Jahren darauf eingelassen haben, den Maidan hochleben zu lassen, und sie nicht im Stande sind, ihren Fehler zuzugeben? Selbst wenn sie Borotba Nationalismus vorwerfen (und das tun sie und ihresgleichen bei jedem, der nicht in ihre „Deutschland muss sterben“-Rufe einstimmt), sollte doch klar genug sein, dass Borotba eine linke Organisation ist, die massiv verfolgt wird, und mit der man, wenn man Kritik an ihr hat, die Diskussion suchen sollte. Nicht aber eben diese Diskussion verhindern.

Es mag Frau Nagel sauer aufstoßen, dass die ukrainischen Antifaschisten ihren Widerstand mit Liebe zu ihrem Land begründen und nicht mit Hass. Das war übrigens bei den wirklichen deutschen Antifaschisten nicht anders; die Flugblätter der Weißen Rose beispielsweise legen ein deutliches Zeugnis dafür ab. Diejenigen, die tatsächlich ihr Leben gegen den Nazifaschismus riskiert haben, würden sich von Parolen wie „Bomber Harris, do it again“ mit Grausen abwenden. Weil solche Losungen die gleiche Glorifizierung der Gewalt beinhalten wie, nun – die Losungen der Nazis.

Man muss ein wenig den Beritt der Frau Nagel verlassen, um zu sehen, was die ‘Antideutschen’, die in der BRD große Teile dessen dominieren, was sich ‘Antifa’ nennt, in letzter Konsequenz wirklich sind. Anfang Mai entstand in Würzburg folgendes Foto, den Kern des Problems sehr deutlich illustriert:

würzburg 03052016

 

Wir sehen auf diesem Bild eine Kundgebung, die unter dem Motto „Save Aleppo“ stattfand. Das war die letzte Kampagne zur Unterstützung der Kriegspläne in Syrien. Ungeachtet der Tatsache, dass die ‘Rebellen’ in Aleppo vor allem zum syrischen Al-Kaida-Ableger gehören, wurde die Erzählung verbreitet, die syrische arabische Armee griffe Zivilisten an. Auf dieser Kundgebung befand sich, neben den oben sichtbaren Vertretern, der ‘autonomen Antifa’ auch der grüne Politiker und Studentenpfarrer Burkhard Hose. Beide hatten sichtlich keinerlei Bedenken, neben Plakaten zu stehen, die deutlich „NATO-Intervention jetzt“ fordern.

Beide, Frau Nagel von der Leipziger Linkspartei wie Burkhard Hose von den Würzburger Grünen, sind übrigens Träger eines Friedenspreises.

Sie gehören unterschiedlichen Parteien an, sind aber beide Teile eines Kontinuums, das bei vermeintlich ganz radikalen ‘Linken’ beginnt und an der Seite der NATO endet. Dieses Kontinuum ist der Ursprung der ‘Querfront’-Debatte, die erfolgreich seit Beginn der ukrainischen Krise die Entstehung einer starken Friedensbewegung in Deutschland verhindert hat. Gleichzeitig waren die ukrainischen Nazis nie ein Problem; selbst das Leitmedium dieser Strömung, die einstmals linke „taz“, ist sich längst nicht mehr zu schade, sympathiegetränkte Texte über Angehörige faschistischer Bataillone zu verfassen. Wenn Marie-Luise Beck, die grüne Kriegstreiberin mit dem Prinzessin-Diana-Augenaufschlag, das Lied vom bösen Putin singt, stimmen sie alle miteinander gerne ein.

Wie bizarr das Konstrukt dieses ‘Querfront’-Vorwurfs ist, wurde in der Auseinandersetzung um die ‘Studie’ der Otto-Brenner-Stiftung deutlich, die erkennbar als krönender Abschluss dieser Kampagne geplant war, aber wegen nicht haltbarer Behauptungen zurückgezogen werden musste. Denunziation war von Anfang an der Kern dieser Strategie. Borotba wurde bereits im Jahr 2014 unter Berufung auf dubiose Quellen ukrainischer Anarchisten als ‘rechts’ denunziert, und auch wenn diese Behauptungen an den Haaren herbeigezogen und von Maidan-Unterstützern vorgetragen waren, reichten sie aus, um eine breitere Solidarisierung zu verhindern. Seitdem erfolgen immer neue Attacken gegen Unterstützer ukrainischer Antifaschisten, immer nach der selben Masche. Diese Angriffe sorgen nicht nur dafür, dass das erste Mal nach dem zweiten Weltkrieg die bundesdeutsche Politik auf einen Krieg zusteuert, ohne auf sichtbaren, breiten Widerstand zu stoßen; sie sorgen auch dafür, dass die sehr reale Querfront von vermeintlich linken Organisationen hin zu unverkennbar offen faschistischen Organisationen ukrainischer Nazis und andernorts wahabitischen Terroristen im Auftrag der NATO gar nicht zum Gegenstand der Auseinandersetzung wird, weil jene, die sie betreiben könnten, damit beschäftigt sind, die ‘Querfront’-Anschuldigungen abzuwehren.

Interessant ist dabei, dass unsere vermeintlichen ‘Antifaschisten’ ihre Sympathie genau an jene vergeben, die ohne Zweifel als historische Erben der ursprünglichen Nazis gelten können: jenen Hilfstruppen, die ursprünglich von Theodor Oberländer und Gerhard von Mende geleitet und nach der Niederlage des Hitlerfaschismus mit dem US-Nazi-Amalgam CIA geteilt wurden (zur Entstehung dieser Mischung siehe Nazis, NATO und Farbrevolutionen sowie Operation Ohio). An keiner Stelle findet sich eine deutlichere historische Kontinuität als bei jenen zutiefst antikommunistischen Hilfstruppen, gleich, ob sie zu Bandera, den kroatischen Faschisten oder den von der SS angeheuerten Krimtataren gehörten; all diese Hilfstruppen werden uns, unter völliger Verleugnung der historischen Wahrheit, als Freiheitskämpfer verkauft, selbst wenn sie öffentliche Ehrungen für SS-Einheiten abhalten (wie sie nicht nur in der Ukraine, sondern auch im Baltikum stattfinden), aber es ist eben dieser Antikommunismus, der sie für diese ‘Antifaschisten’ unwiderstehlich macht, während ihren Landsleuten, die in der Roten Armee tatsächlich zur Befreiung vom Faschismus beigetragen haben, im selben Atemzug der Antifaschismus aberkannt wird.

Am 6. Mai erschien in der FAZ ein Artikel unter der Überschrift „Ein Himmelfahrtsprotest gegen Gefühlszonis“, der jene ‘Antideutschen’, die in das Dorf Bornhagen gefahren waren, um den AfD-Politiker Höcke heimzusuchen, geradezu zur politischen Avantgarde erklärt. Nun, früher hätte ein solcher Text in einer Zeitung, die auch unter der Bezeichnung „Zentralorgan der deutschen Bourgeoisie“ bekannt war, tiefe Bestürzung und anschließende Selbstbefragung ausgelöst, durch welchen gravierenden Fehler man sich ein Lob ausgerechnet von dieser Seite eingefangen hätte. Selbstkritik ist allerdings nicht die Stärke unserer falschen Freunde.

Was findet die FAZ nun an diesen Protesten so löblich? Der Aufruf für diesen Protest ist ein sehr typisches Produkt dieser Szene. Er vermischt den -völlig unangebrachten – westdeutschen Dünkel gegenüber den Bewohnern der annektierten DDR mit einer tiefen Ablehnung jeder sozialen Erwartung an die Gesellschaft. Denn schon der Wunsch, eine Gesellschaft möge der Auslieferung an die Gesetze der Kapitalverwertung Schranken setzen, gilt ihnen als Sehnsucht nach Volksgemeinschaft, und damit als im Kern faschistisch… „Wie ihre Gesinnungsgenossen im Osten sehnen sich die Zornis des Westens nach dem traditionellen Volksstaat zurück, der vor den Anforderungen des internationalen Marktes beschützt und zumindest teilweise von der Sorge um den Verkauf der Ware Arbeitskraft befreit.“ Und es ist nicht der von wirklichen Nazis aufgebaute Staatsapparat der BRD und ihre von wirklichen Nazis geführten Konzerne, die der Gegner dieser ‘Antifaschisten’ sind, sondern normale, vom Verkauf ihrer Arbeitskraft lebende Menschen, deren soziale Bedürfnisse als ‘faschistisch’ denunziert werden. ‘Antifaschist’ nach ihrer Deutung ist also nur jener, der die grenzenlose Herrschaft des Kapitals über den Menschen als Ausbund höchster Freiheit betrachtet. Diese Variante könnte von McCarthy stammen.

Die Linkspartei habe, so zitiert die FAZ den Aufruf geradezu jubelnd, „mit ihrer Propaganda für einen autoritären Sozialismus und ihrem Betrogen-und-Belogen-Gejammer den Boden für die AfD bereitet“. Denn es ist nicht die Macht der Kriegsverbrecher des zweiten Weltkriegs über die großen Konzerne dieser Republik, und die Macht dieser Konzerne über deren politische Strukturen, von denen die Bedrohung ausgeht; nein, es sind günstige Wohnungen, sichere Arbeitsplätze und ein positives Verhältnis zur DDR, die zur faschistischen Bedrohung stilisiert werden. “Schon hat der Antifa-Demonstrant Stephan Maßdorf in der “Jungle World” nachgelegt. Die Linkspartei und die AfD würde nur sehr wenig unterscheiden. Mit Ramelow und Höcke habe sich eine “Querfront der westdeutschen Ossiversteher” gebildet. Beide Politiker, die aus dem Westen in den Osten gekommen seien, könnten sich mit dem “Gemeinschaftskult, der hier herrscht, ganz gut arrangieren”.

Ramelow kann man gewiss nicht vorwerfen, an Unterwerfungsgesten gegenüber dem florierenden Antikommunismus gespart zu haben. Im Gegenteil, seine ‘Haltung’ diesbezüglich wäre gleich für mehrere Bandscheibenvorfälle gut genug gewesen. Dennoch, solange ein Restchen Verständnis für soziale Bedürfnisse (von Rechten ganz zu schweigen) vorhanden ist, ist es der FAZ wie auch besagten ‘Antifaschisten’ ein Greuel.

Womit wir zum Kern des ganzen ‘Querfront’-Gehabes vorgedrungen wären. Denn was ergibt sich als Summe dieser politischen Positionen: einer grundsätzlichen Ablehnung der sozialen Frage sowie jeder Form von Kollektivität; eine politische Tätigkeit, die sich konkreter Forderungen weitgehend enthält, aber Denunziation als übliche Methode verwendet; gegen jede Position (auch und gerade linke) bereit ist, Gewalt einzusetzen, die von der ihren abweicht; Kriegspolitik nicht bekämpft, sondern unterstützt; gerade mit den aggressivsten Gruppen des deutschen wie des US-Kapitals, die sich in der Politik der CIA wiederfinden, sowie deren Handlangern Bündnisse eingeht?

Die einfachste Formulierung, die ich kenne, um das zu beschreiben, was einmal als links gesehen wurde, stammt von Georg Büchner und lautet „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“. Die Transatlantifa ist nicht links. Sie ist die zutiefst antikommunistische, antisoziale Jugendabteilung der aggressivsten Politik, die das Kapital momentan kennt – der unmittelbaren Vorbereitung auf einen Krieg in Europa. Sie fordert Friede den Palästen, Krieg den Hütten.

Natürlich muss sie allem entgegentreten, was den wirklichen Antifaschismus in Erinnerung ruft. Was die bizarren Verbindungen dieser falschen Freunde sichtbar macht und erkennen lässt, dass ihre wichtigste Eigenschaft ihr aggressiver Antikommunismus ist. Sie sind nicht gegen die Veranstaltung mit Borotba, weil Borotba rechts wäre. Sie sind dagegen, weil es sich bei Borotba um Kommunisten handelt. (So wie schon im letzten Jahr der Vorwurf, den der antideutsch beeinflusste VVN-Geschäftsführer Willms im Rahmen der ‘Querfront’-Debatte gegen Ernst Niekisch erhob, seine Nähe zu Kommunisten war). Nichts ist ihnen verhasster als die Sowjetunion und der Sieg der Roten Armee.

Die Leipziger Veranstaltung wird übrigens stattfinden. Zwar leider ohne den angekündigten Referenten, aber mit Oleg Muzyka, einem der Überlebenden von Odessa, und mit viel aktueller Information zum antifaschistischen Widerstand in der Ukraine. Im Atelier Brückner in der Haferkornstraße 15, um 18 Uhr.

P.S.: Für alle, die nicht in Leipzig sind, ein kleiner Filmtip aus dem Internet, in dem es um die Verbindungen des Herrn Dulles zu den Nazis geht; 12 Folgen einer sowjetischen Spionageserie, die auf den historischen Fakten aufbaut… zum langsamen Genießen. Mit deutschen Untertiteln.

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