Erstveröffentlichung 03/2015
..ihr seid die Legende, ihr seid das heroische Beispiel der Solidarität und der Universalität der Demokratie“. Mit diesen Worten verabschiedete Dolores Ibarruri im Oktober 1938 die Kämpfer der Internationalen Brigaden in Spanien, nachdem die spanische Regierung durch Druck der westlichen Regierungen gezwungen wurde, die Brigaden aufzulösen. Seit 1936 halfen sie, die gewählte spanische Regierung gegen die Putschisten unter General Franco zu verteidigen. Nazideutschland und Italien unter Mussolini unterstützten den Putsch und verstärkten Francos Truppen mit eigenen Einheiten (wie der „Legion Condor“).
Der österreichische Brigadist Ferdinand Berger fasste seine Motivation in einer Dokumentation über die Interbrigaden so zusammen: „Wenn es uns gelingt, in Spanien den Faschismus zu schlagen, dann gibt es vielleicht eine Chance, dass man den grossen Krieg verhindert“. Wir wissen heute, dass dies nicht gelang und der grosse Krieg folgte, kaum dass der „kleine“ spanische verloren gegangen war.
Am Wochenende berichtete die deutsche Presse ausführlich über deutsche Freiwillige auf Seiten Noworossijas. Und im Gegensatz zu den Berichten vor wenigen Wochen über den Aufbruch eines jungen Münchners ausgerechnet zu einem der faschistischen Freikorps werden diese Berichte ausführlich mit Bemerkungen garniert, wie gefährlich diese Leute seien, wenn sie zurückkämen, und dass man unbedingt eine rechtliche Handhabe bräuchte, dies zu verhindern. Es wird nicht einmal davor zurückgeschreckt, die deutschen Freiwilligen mit Anhängern von „ISIS“ zu vergleichen:
„Der Russlandbeauftragte Erler zog eine Parallele zu deutschen Dschihadisten in Syrien. Das Risiko, das von den Rückkehrern ausgehe, sei vergleichbar. Allerdings sei es im Fall der Ukraine schwierig, „eine juristische Handhabe oder eine Strafbarkeit zu finden“, sagte er dem MDR. Der Kampf in der Ostukraine ist anders als der für die Terrormiliz „Islamischer Staat“ in Syrien und im Irak nach deutschem Recht nicht strafbar.“
Diese Gleichsetzung ist schamlos und geschichtsvergessen, aber sie enthüllt auch die Absicht, die hinter diesen Berichten steht. Denn es ist mitnichten erst seit letzter Woche bekannt, dass es Deutsche in den Milizen gibt. Ich möchte nur an das Interview von Besler mit Colonel Cassad vom 25.9.2014 erinnern, in dem er sich folgendermassen äussert:
„Frage: Sind Ausländer dort in der Miliz?
Natürlich, mit uns Schulter an Schulter kämpfen Serben, Spanier, Franzosen und Deutsche, die den Faschismus abgrundtief hassen, und die momentane Vorherrschaft der Vereinigten Staaten. Das sind Leute mit einem Gewissen, das in Europa noch lebt. Einmal wurde an einer Strassensperre ein Deutscher angehalten und zu mir gebracht. Wer bist du? Wer? Warum? Er antwortete, er sei wegen seiner Frau gekommen, die in Lugansk sei, und wegen seiner geliebten Katze. (…) Er sah meine Waffe, fragte, ob ich sie verkaufe und zieht aus der Tasche 40 000 Euro. Sagt, das ist alles was ich habe, um dafür zu zahlen. Ich möchte gegen die Faschisten kämpfen. In dem Moment kommt ein Anruf aus dem Büro Merkel. Einer ihrer Mitarbeiter meldet sich hysterisch und schreit, wir hätten einen deutschen Bürger gefangen genommen, und fordert seine Freilassung. Ich antworte, das ist kein Problem, aber er wolle nicht. „Was will er denn?“, fragt der Mitarbeiter. „In die Miliz“, antworte ich. Es ist lange Zeit Schweigen, und dann ganz leise „und kann ich ihn hören?“ „Ja, kein Problem“, antworte ich am Telefon und gebe es weiter an den Deutschen. Der sagte: „Ich bin Panzerfahrer, Feldwebel der Bundeswehr, Kommandeur eines Leopard 2, schickt mir bitte drei Panzer, und dann bin ich in zwei Tagen in Kiew.“ Die Antwort darauf waren mehrere kurze Piepser und ein einzelner deutscher Ausruf. Ich gab ihm die Waffe und schickte ihn nach Lugansk. Jetzt kämpft er dort in der Armee, und Frau Merkel hat die Panzer immer noch nicht geschickt.“
Wenn diese Geschichte Beslers stimmt, dann wusste selbst das Kanzleramt bereits seit letztem Sommer von deutschen Freiwilligen auf Seiten der Republiken. Nachdem die Korrespondenten der deutschen Presse diese Quelle auch lesen können (und es vermutlich sogar tun, selbst wenn sie alle Informationen von dort konsequent ignorieren), sie also ebenfalls über die Tatsache informiert gewesen sein dürften, ist der Grund für diese breite Berichterstattung eher in den damit in die Presse gehobenen Äusserungen zu suchen. Denn was Erler (der „russlandpolitische Sprecher“ der SPD) mit dieser Aussage tatsächlich tut, ist, die Idee lancieren, Freiwillige auf Seiten Noworossijas genau so zu behandeln, wie die Terrorkrieger des IS, und das rechtliche Mittel dazu habe ich schon mehrmals erwähnt – die Listung der Republiken als „terroristische Organisationen“.
Ganz anders wird selbstverständlich mit jenen Deutschen verfahren, die auf Seiten von Asow oder einer anderen, nun wirklich terroristischen, faschistischen Struktur im ukrainischen Bürgerkrieg kämpfen. Die Junge Welt veröffentlichte etwa vor einem Monat einen Artikel mit dem Titel „Töten für Wotan“, der sich mit ausländischen Kombattanten im Ekelhaftesten des Ekelhaften, der „Misanthropischen Division“ innerhalb von Asow beschäftigt. Diese brüstet sich öffentlich „ Derzeit verfügen wir über mehr als ein Dutzend Gruppen in Westeuropa, in Nord- und Südamerika, auch im alten Europa: Schweden, Frankreich, Italien, Spanien, Deutschland, Griechenland, Kroatien, Polen, Tschechien und Serbien“. Die Antwort des Bundesministeriums des Innern auf eine Nachfrage des Autors, was man in dieser Hinsicht zu tun gedenke, lautete nur: „Dem BMI liegen keine Hinweise auf organisierte strukturelle Zusammenarbeitsformen zwischen deutschen und ukrainischen Rechtsextremisten vor.“ Ganz zu schweigen davon, hier eine Notwendigkeit für irgendwelche Massnahmen zu sehen, oder Ermittlungen einzuleiten; und es überrascht nicht, dass die Informationen der Jungen Welt von keinem anderen Medium aufgegriffen wurden. Schliesslich hat die Bundesregierung eine klare Überzeugung, wer dort die Bösen sind.
Mehr noch – man erinnere sich an die Berichterstattung über einen Münchner Jugendlichen, der in Begleitung eines bundesdeutschen Fernsehteams aufbrach, um sich ausgerechnet einem der faschistischen Freikorps anzuschliessen. Die Berichte troffen vor Sympathie. Nirgends gab es auch nur den Ansatz einer Überlegung, das, was er da tut, könne unmoralisch sein oder gar illegal. Dabei ist, würde noch irgendjemand einen Pfifferling auf Recht und Gesetz geben, der ganze als „Antiterroroperation“ etikettierte Feldzug der Kiewer Junta nach eigenem, ukrainischen Recht illegal; sie dürften kein Militär gegen die eigenen Bürger einsetzen, geschweige denn mit schwerer Artillerie auf Städte schiessen, ein Einsatz der Armee würde zum Mindesten voraussetzen, dass offiziell ein Krieg geführt wird; legal wären nur Polizeieinsätze. Weshalb jede Handlung auf Seiten der ukrainischen Truppen ein Rechtsverstoss ist und damit auch nach deutschem Recht strafbar wäre, während die Selbstverteidigung gegen eine unrechtmässige Regierung, die eine geltende Verfassung ausser Kraft tritt, nach den Regeln des Grundgesetzes, aus dem noch nicht alle Erfahrungen der Nazizeit getilgt wurden, das Recht jedes einzelnen Bürgers ist. Ein reales Verfahren gegen einen der deutschen Freiwilligen auf Seiten Noworossijas könnte rechtlich also überaus spannend werden. Das deutsche Recht kennt keine Strafbarkeit einer Kriegsteilnahme in einem anderen Land, nur eine Strafbarkeit der Werbung für fremde Truppen (weshalb tunlich kein Blick auf Seiten dieser „misanthropischen Division“ geworfen wird). Genau aus diesem Grund aber steht zu befürchten, dass dem ausgewichen wird und eine wirkliche Auseinandersetzung mit der Frage des Rechts in diesem Konflikt schlicht durch die besagte Listung verhindert wird, die über den Umweg über „höherstehendes Recht“ jegliches Nachfragen und -denken gänzlich abschneidet.
Vor kurzem wurden spanische Rückkehrer gleich mit Sondereinsatzkommandos festgenommen. Ihnen wurde vorgeworfen, sie „verletzten die Neutralität Spaniens“. Da auch das ein Ereignis ist, das es in die hiesigen Medien nicht geschafft hat, hier ein Bericht des russischen Fernsehens darüber:
Die Madrider Complutense-Universität, die in diesem Bericht erwähnt wird, schliesst übrigens den Kreis zu den Internationalen Brigaden. Es ist genau jene Universität, auf deren Gelände und in deren Gebäuden die entscheidenden Kämpfe der Schlacht um Madrid stattfanden, und die Internationalen Brigaden spielten in diesen Kämpfen eine entscheidende Rolle. Genau dort wurde von der Universität ein Denkmal für die Internationalen Brigaden errichtet, das auf Anweisung der rechten spanischen Regierung wieder abgerissen werden musste.
Die Bundesregierung hat ebenso wenig Respekt vor den Internationalen Brigaden wie die spanische. Das einzige Denkmal, das es für diese Antifaschisten gibt, ist ein Erbstück der DDR. Dabei sind die deutschen Brigadisten einer der Lichtblicke der deutschen Geschichte der dreissiger Jahre; ein wichtiger Teil in den dünnen Reihen jener, die gegen den Faschismus kämpften, nicht für ihn, und damit die Ehre ihres Volkes retteten. Sie hätten mindestens die gleiche Anerkennung und Würdigung verdient wie die Beteiligten des 20.Juni, und eine wirklich demokratische deutsche Armee müsste die Kämpfer der Internationalen Brigaden als ihre Vorbilder benennen. Kämpfer wie den Münchner Hans Beimler, kommunistischer Abgeordneter im bayrischen Landtag bis 1933, dessen spektakuläre Flucht aus dem KZ Dachau die Vorlage für den Roman „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers lieferte, und der in Madrid fiel.
Beimler wurde übrigens nach seiner Flucht durch Nazideutschland ausgebürgert. Und selbst auf solche Ideen kommt man schon wieder, diesmal in der ZEIT:
„Der Unionsinnenexperte Stephan Mayer (CSU) will das ändern. „Wenn Deutsche an Kampfhandlungen teilnehmen, sollte eine Strafbarkeit wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung erwogen werden“, sagte er. Außerdem riet er, „zumindest im Falle der Doppelstaatler die deutsche Staatsangehörigkeit wegen der Teilnahme an einem Bürgerkrieg zu entziehen“.
Ja, natürlich, damit sind nur Antifaschisten gemeint. Alles andere würde ja gegen die Traditionen verstossen. Während die Paktiererei der Bundesregierung mit den ukrainischen Faschisten die deutsche Geschichte mit einer neuen Ladung Schande und Scham versorgt, wird laut darüber nachgedacht, gegenteiliges Verhalten mit dem Entzug der Staatsangehörigkeit zu ahnden. Das wäre dann nicht nur eine innere Nähe zu ukrainischen Faschisten, das wäre eine Wiederbelebung von Nazi-Recht.
Man darf gespannt sein, wie sich das weiter entwickelt. Immerhin muss die Bundesregierung jetzt aus der Deckung gehen und wird ihr bisheriges Spielchen, man sei so für den Frieden, nur die bösen Russen wollten nicht, nicht mehr lange aufrechterhalten können. Schliesslich beinhaltete Minsk-2 in einigen Punkten zeitliche Vorgaben, etwa für die gesetzliche Regelung eines Sonderstatus für Donezk und Lugansk, und die Kiewer Machthaber sind diesem Punkt ebenso wenig nachgekommen wie der Anforderung, die Artillerie abzuziehen. Die deutsche Regierung wäre als Garant dieses Abkommens in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass Kiew alle Punkte erfüllt. Es war weit und breit keine entsprechende Bemühung zu sehen, nicht einmal ein Ansatz öffentlicher Kritik. Und selbst wenn Merkel und Steinmeier wohl der Überzeugung sind, es sei gleich, welche Verträge man unterschriebe und garantiere, daran halten müssten sich immer nur die anderen (Griechenland zum Beispiel), dies ist bereits das zweite Mal, dass die Bundesregierung ihrer Pflicht als Garant nicht nachkommt. Das erste Mal war jenes berüchtigte Abkommen mit Janukowitsch und der „Opposition“ im Februar letzten Jahres, das nur den Weg zur gewaltsamen Machtübernahme ebnete. Man hält sich offenbar für etwas Besonderes, für eine Macht, die über dem Recht steht, und die Freundschaft mit der blutbesudelten Kiewer Truppe ist so bedeutend, dass man jede vertragliche Verlässlichkeit dafür in den Orkus wirft. Wenn sie glauben, das merkt keiner, erst grosses Trara mit Verhandlungen und dann ein heimliches Davonschleichen, dann mag das zwar für die hiesige Presse stimmen; aber auf internationaler Bühne hat Merkel damit ein gewaltiges Ei gelegt. Denn wer, bitte, soll noch Verträgen trauen, die mit diesem Deutschland geschlossen werden?
So unsichtbar dieser Schritt hier ist, so gravierend ist er im internationalen Zusammenhang. Und er ist ein deutliches Signal, dass die Zeichen nach wie vor auf Krieg stehen. Denn die Verlässlichkeit, die so nonchalant preisgegeben wurde, ist die Voraussetzung für jede Form friedlicher Regelung, also auch die Voraussetzung zur Deeskalation, und man beraubt sich dieses Mittels nur, wenn man solche Schritte nicht nur nicht beabsichtigt, sondern sie tatsächlich unmöglich machen will.
Wenn aber diese friedfertige Maske fällt, dann dürfte sich auch das Agieren im Inneren verschärfen. Es ist also kein Zufall, dass die Welle an Artikeln über die deutschen Brigadisten genau zu dem Datum begann, an dem die Nichteinhaltung von Minsk-2 durch Kiew tatsächlich manifest wurde, zu dem Datum, an dem die Fristen für den Abzug der Artillerie wie für die Gesetzesänderungen abgelaufen sind. Dementsprechend ist auch die Stossrichtung dieser Artikel kein Zufall.
Die spanischen Brigadisten dürften bei der augenblicklichen Rechtslage in Spanien letztlich nicht viel zu befürchten haben. Das spanische Recht kennt eine Strafbarkeit einer Teilnahme in fremden Kriegen ebenso wenig wie das deutsche, die Beweise, auf die sich ihre Verfolgung stützt, stammen sämtlich aus den sozialen Netzwerken, und dort findet sich nichts Verfänglicheres als Übungen auf einem Schiessplatz… allerdings gilt dort das Selbe wie hier: eine Listung dürfte die Lage schlagartig ändern.
Sie haben kurz nach ihrer Freilassung bereits deutlich zu erkennen gegeben, dass sie nicht aufgeben wollen. Im Gegenteil – sie haben angekündigt, im Mai in den Donbass zurückzukehren: